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Zum 30. Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe

26.04.2016 г.

Am 26. April 2016 jährt sich zum 30. Mal der Super-GAU im Atomkraftwerk von Tschernobyl, der zur größten technogenen Katastrophe des XX. Jahrhunderts wurde. Belarus, Russland und die Ukraine wurden von der Tschernobyl-Katastrophe besonders betroffen.

Eine Fläche von 46,45 Tsd. qkm bzw. 23% des gesamten Staatsgebiets von Belarus wurde mit mehr als 37 kBq Cs-137 pro m² radioaktiv belastet, darunter 18,7 Tsd. qkm bzw. 20% der landwirtschaftlichen Flächen, 20,1 Tsd. qkm bzw. 25% der Waldflächen.

In den kontaminierten Gebieten von Belarus befanden sich über 3600 Ortschaften mit der Gesamtbevölkerung von über 2,2 Mio. Menschen. 479 Orte davon sind mit der Zeit verschwunden. Bis heute ist die Hälfte der 118 Landkreise in Belarus von der Tschernobyl-Katastrophe in unterschiedlichem Maße betroffen, 21 davon stark.

Im Zeitraum von 1986 bis 2015 verringerte sich das mit mehr als 37 kBq Cs-137 pro m² kontaminierte Gebiet aufgrund des natürlichen Zerfalls von Cäsium-137 um das 1,7fache und betrug am 1. Januar 2015 13,6%.

Der durch die Tschernobyl-Katastrophe verursachte Schaden für unser Land wird auf 235 Mrd. US-Dollar geschätzt, was dem 32fachen Staatshaushalt von Belarus im Jahr 1985 entspricht.

Die Überwindung der Folgen der Tschernobyl-Katastrophe zählt zu den vorrangigen Aufgaben der belarussischen Regierung. Seit 1991 koordiniert eine spezielle staatliche Behörde (heutzutage das Departement für die Liquidierung der Folgen der Tschernobyl-Katastrophe beim Ministerium für Katastrophenschutz der Republik Belarus) die Aktivitäten in diesem Bereich.

Es bestehen zurzeit in Belarus folgende zuverlässig funktionierende Systeme:
– Gesundheitsmonitoring der betroffenen Menschen;
– Sozialschutz der betroffenen Bevölkerung;
– Maßnahmen in der Land- und Forstwirtschaft;
– Strahlenmonitoring und -kontrolle;
– spezielle wissenschaftliche Studien;
– Aufklärungsarbeit mit der Bevölkerung, den Fachleuten und Entscheidungsträgern.

Die Arbeit an der Überwindung der Folgen der Tschernobyl-Katastrophe findet auf einer umfassenden rechtlichen Grundlage statt. Entsprechende Rechtsnormen werden regelmäßig überprüft und an die sich ändernde Situation angepasst. Von 1990 bis 2015 wurden ca. 22 Mrd. US-Dollar für die Umsetzung von 5 staatlichen Programmen ausgegeben, die dazu dienten, negative Folgen der radioaktiven Verseuchung zu minimieren. Seit 1990 sind Tausende Kilometer neuer Gas- und Wasserleitungen verlegt, über 150 Schulen, 116 Kindergärten, 43 Krankenhäuser, 68 Tsd. Wohnungen gebaut worden.

Seit 1993 wird das staatliche Register der strahlengeschädigten Personen geführt, das zurzeit über 820 Tsd. Personen umfasst. Über 1,5 Mio. Menschen in Belarus, darunter 260 Tsd. Kinder und Jugendliche, stehen unter besonderer medizinischer Beobachtung. Sie alle werden jedes Jahr ärztlich untersucht. 120 Tsd. Schüler erhalten täglich kostenfreie Mahlzeiten, 90 Tsd. Kinder und Jugendliche absolvieren jährlich einen Aufenthalt in den Kinderehabilitationszentren landesweit.

In den letzten Jahren geht die Zahl der radioaktiv kontaminierten Orte in Belarus konsequent zurück – von 1992 bis 2015 um mehr als 1 Tsd. auf 2,2 Tsd. Ortschaften. Ca. 11% der zuerst der Nutzung entzogenen landwirtschaftlichen Flächen werden inzwischen wieder genutzt. Dabei werden sämtliche Lebensmittel in unserem Land auf mögliche Strahlenbelastung streng kontrolliert.

Aktuell werden in Belarus überwiegend Maßnahmen in folgenden Bereichen getroffen:
– Sozialschutz, medizinische Versorgung, Gesundung der betroffenen Bevölkerung;
– Strahlenschutz und gezielte Anwendung der Schutzmaßnahmen;
– soziale und wirtschaftliche Entwicklung der betroffenen Gebiete;
– wissenschaftliche Begleitung und Ausbau der Informationsarbeit.

Die komplexe nukleare und sozial-wirtschaftliche Rehabilitierung der betroffenen Gebiete zählt zu den wichtigsten Aufgaben bei der Überwindung der Folgen der Tschernobyl-Havarie. Ihr Hauptziel ist es, eine wirksame wirtschaftliche Wiederbelebung und stabile Entwicklung dieser Regionen zu erreichen.

Auch wenn die gesammelten Erfahrungen und moderne Technologien es einfacher machen, das Leben in den betroffenen Regionen relativ sicher und nachhaltig zu gestalten, werden für die Durchführung der Entstrahlungsmaßnahmen, Rehabilitierung belasteter Territorien, medizinische und prophylaktische Behandlung der dort lebenden Menschen bedeutende Finanz- und Materialmittel benötigt, die weit über die Möglichkeiten unseres Landes hinausgehen. Deswegen ist die internationale Unterstützung bei der Überwindung der Katastrophenfolgen nach wie vor von großer Bedeutung.

Eine wichtige Rolle spielt bei der Linderung der Folgen der Tschernobyl-Katastrophe die Gesundung der Kinder aus den betroffenen Regionen. Neben den vielfältigen Angeboten in Belarus selber wird die langjährige Praxis der Gesundung der Kinder im Ausland unterstützt.

Deutschland war und bleibt eines der Länder, das am meisten Verständnis für die Situation in Belarus nach Tschernobyl zeigt. Neben der Versorgung mit notwendigen Hilfsgütern entstand hier ein Netz von Angeboten für Kinder aus den kontaminierten Regionen, in Familien in Deutschland ihre Ferien zu verbringen und sich zu erholen.  Jährlich werden Erholungsaufenthalte in Deutschland für Tausende Kinder aus Belarus ermöglicht. Alleine im Jahr 2015 wurden über 3,3 Tausend belarussische Kinder deutschlandweit aufgenommen und betreut.

Zwecks der Gewährleistung der Sicherheit der Kinder während ihrer Erholungsaufenthalte sowie der Beachtung ihrer Rechte wurde die Vereinbarung zwischen der Regierung der Republik Belarus und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über die Bedingungen der Erholungsaufenthalte für die minderjährigen Bürger der Republik Belarus in der Bundesrepublik Deutschland am 11. Februar 2009 abgeschlossen.

Heute sind in der Bundesrepublik zahlreiche humanitäre Organisationen und Initiativen tätig, die sich nach wie vor bemühen, den Opfern der Katastrophe bestmögliche Hilfe zu leisten. Diese Solidarität und menschliche Anteilnahme sind bei weitem nicht selbstverständlich, sie stellen ein hohes Gut und einen bedeutenden Beitrag zur Versöhnung und Verständigung zwischen unseren Völkern dar. In Belarus weiß man das langjährige Engagement deutscher Bürger, Initiativen sowie Staatsbehörden zu schätzen und ist man für die konsequente, zuverlässige und effiziente Unterstützung sehr dankbar.

Durch die Aktivitäten der deutschen humanitären Initiativen sind unzählige zwischenmenschliche Kontakte geknüpft worden, die sich zu den echten Freundschaften entwickelt haben. Diese partnerschaftlichen Beziehungen betrachtet man zu Recht als eine der tragenden Säulen für den Ausbau der belarussisch-deutschen Beziehungen insgesamt.

Die Botschaft der Republik Belarus in Deutschland ist auch weiterhin gerne bereit, die Tätigkeit der deutschen Tschernobyl-Initiativen und die bilaterale Zusammenarbeit bei der Überwindung der Folgen der Tschernobyl-Katastrophe nach Kräften zu unterstützen und zu begleiten.

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Belarusian Diplomatic Missions

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