:

Über die Verfassungsreform in der Republik Belarus

In der Republik Belarus gilt die Verfassung vom 15. März 1994 mit Änderungen von 1996, 2004 und 2021.

Die aktuelle Verfassung hat eine bedeutende Rolle für den Aufbau des souveränen belarusischen Staates gespielt. Gleichzeitig machen rasante Entwicklungen und Herausforderungen in vielen Bereichen und in der belarusischen Gesellschaft sowie die Dynamik der geopolitischen Lage Erneuerung der Verfassung notwendig.

Der Präsident der Republik Belarus Alexander Lukaschenko hat die Möglichkeit der Verfassungsänderungen zum ersten Mal bereits 2016 öffentlich angesprochen, damit das Land den Anforderungen der Zeit gerecht bleibt.

Vorschläge zur Änderung der Verfassung wurden bei der Vorbereitung zur VI. Allbelarusichen Volksversammlung im Rahmen von über 1,6 Tsd. Dialogplattformen landesweit vom Oktober 2020 bis Februar 2021 diskutiert. Mehr als 46,5 Tsd. Bürgerinnen und Bürger nahmen an der Diskussion teil.

Anfang 2021 wurde auf der Grundlage des Entscheids der VI. Allbelarusischen Volksversammlung eine Verfassungskommission gebildet, die sich mit der Ausarbeitung von konkreten Vorschlägen zur Änderung der Verfassung befasste. Anschließend analysierte eine Expertengruppe die Vorschläge der Verfassungskommission, um sie untereinander abzustimmen und deren Kompatibilität mit der geltenden Gesetzgebung zu gewährleisten.

Als Ergebnis wurde ein Entwurf der geänderten und ergänzten Verfassung fertiggestellt und am 27. Dezember 2021 zur öffentlichen Diskussion vorgelegt.

Am 27. Februar 2022 findet das republikanische Referendum über Änderungen und Ergänzungen der Verfassung der Republik Belarus statt.

Insgesamt wurden von 147 Artikeln der aktuellen Verfassung die Präambel und 83 Artikel geändert oder ergänzt. Der Verfassungstext wurde um 11 neue Artikel und 1 neues Kapitel ergänzt.

Die Hauptrichtungen der vorgeschlagenen Verfassungsänderungen können wie folgt zusammengefasst werden.

Die Präambel wird ergänzt durch Bestimmungen zur Wahrung der nationalen Identität und Souveränität, kultureller und spiritueller Traditionen, einer sozial gerechten Gesellschaft.

Die bisherigen Verfassungsbestimmungen betreffend die Grundlagen der Verfassungsordnung sowie die Festigung der Rechte und Freiheiten der Bürger bleiben auch weiterhin grundsätzlich gültig. Gleichzeitig wird vorgeschlagen, sie unter Berücksichtigung der eingetretenen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Veränderungen zu aktualisieren, auch im Kontext der Bewahrung der historischen Wahrheit und der Erinnerung an den Großen Vaterländischen Krieg und den Zweiten Weltkrieg.

Die grundsätzliche Position bleibt die soziale Ausrichtung der Staatspolitik. Die Arbeits- und Wirtschaftsgarantien, der Schutz der Eigentumsrechte, die Verfügbarkeit von Bildung, die Unterstützung jedes Bürgers bei der Wohnungssuche blieben unverändert. Besonderes Augenmerk wird jedoch auf die Vermittlung traditioneller Familienwerte, die Unterstützung von Familien mit Kindern, Waisen und ohne elterliche Fürsorge gebliebenen Kindern sowie von Jugendlichen, staatliche Alten- und Behindertenhilfe gelegt.

Angesichts des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts verpflichtet sich der Staat darüber hinaus, Rahmenbedingungen für den Schutz personenbezogener Daten und die Sicherheit des Einzelnen und der Gesellschaft bei deren Nutzung zu schaffen und die Einführung von Innovationen zum Wohle der Allgemeinheit zu fördern.

Die Verfassungsänderungen betreffen auch die Gestaltung der Außenpolitik. Es wird hervorgehoben, dass Belarus eine militärische Aggression von seinem Gebiet gegen andere Staaten ausschließt. Dies stärkt den Status von der Republik Belarus als Staat, der eine friedliche Außenpolitik verfolgt.

Mit der Inbetriebnahme des eigenen Atomkraftwerks ist Belarus dem Club der friedlichen Atomenergienutzer beigetreten. Daher ist die Verantwortung des Staates für die Entwicklung der friedlichen Kernenergie sowie die Gewährleistung der Sicherheit bei der Erzeugung und Nutzung der Kernenergie auf der Verfassungsebene verankert.

Im Mittelpunkt der geänderten Verfassung steht das Gleichgewicht aller Staatsgewalten, die Konsolidierung eines Systems von Checks and Balances.

Der Entwurf formuliert Normen, die wesentliche Aspekte des Status, des Bildungsverfahrens und der Befugnisse der Allbelarusichen Volksversammlung definieren.

Die Allbelarusische Volksversammlung ist die höchste Form der direkten Demokratie, die sich in Belarus in den letzten Jahrzehnten etabliert und bewährt hat. Die Verleihung der Allbelarusischen Volksversammlung eines verfassungsrechtlichen Status zeugt von der Entstehung eines besonderen Modells der belarusischen Demokratie, das auf einer langen historischen Tradition beruht. Bürgerinnen und Bürger werden damit eine Möglichkeit bekommen, die wichtigsten Fragen des Staats- und Gesellschaftslebens unmittelbar zu diskutieren und zu entscheiden.

Die besondere Stellung der Allbelarusischen Volksversammlung wird durch die Beteiligung von Vertretern aller Staatsgewalten, kommunaler Körperschaften sowie der Zivilgesellschaft an seiner Tätigkeit ermöglicht. Dieser Ansatz eliminiert das Risiko einer Gleichgewichtsstörung im Staatsapparat.

Eine auf demokratischer Grundlage gebildete Versammlung soll die wichtigste stabilisierende Kraft in den Beziehungen zwischen den Staatsorganen werden und dementsprechend über ausreichende Funktionalität verfügen, um verschiedene Arten von politischen Krisen zu verhindern.

Die Versammlung wird mit erheblichen Vollmachten und Befugnissen ausgestattet, darunter:

  • die wichtigsten strategischen und Programmdokumente (Hauptrichtungen der Innen- und Außenpolitik, Militärdoktrin, Konzept der nationalen Sicherheit, Programme der sozioökonomischen Entwicklung) gutzuheißen;
  • Verfassungsänderungen und andere Gesetze zu initiieren;
  • Durchführung eines republikanischen Referendums vorzuschlagen;
  • Verfassung auszulegen und die Verfassungsmässigkeit normativer Rechtsakte prüfen zu lassen;
  • die Legitimität der Wahlen zu prüfen;
  • ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten einzuleiten;
  • den Ausnahmezustand oder das Kriegsrecht einzuführen, falls der Präsident in diesen Fragen untätig bleibt;
  • die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, Soldaten und andere Personen außerhalb der Republik Belarus zu entsenden, um an der Verteidigung der kollektiven Sicherheit teilzunehmen und den internationalen Frieden und die internationale Sicherheit zu unterstützen.

Zu den Befugnissen des neuen Staatsorgans sollen auch die Ernennung der Vorsitzenden und Mitglieder des Verfassungsgerichts und des Obersten Gerichtshofs sowie der Zentralen Wahlkommission gehören. Dies ist ein Beispiel für die Übertragung eines Teils der Befugnisse des Präsidenten und des Parlaments.

Die Allbelarusische Volksversammlung wird Entscheidungen in den wichtigsten Anliegen treffen, die deswegen bindend sein müssen. Sie wird auch befugt sein, Rechtsakte staatlicher Organe und Amtsträger außer Kraft zu setzen, sollten sie den Interessen der nationalen Sicherheit widersprechen.

Es ist vorgesehen, dass der Präsident auf der Sitzung der Allbelarusischen Volksversammlung eine jährliche Ansprache halten wird. Die Arbeit der Allbelarusischen Volksversammlung wird von einem gewählten Präsidium mit dem Vorsitzenden an der Spitze koordiniert. Die Amtszeit der Allbelarusischen Volksversammlung wird 5 Jahre betragen und die Sitzungen werden jährlich stattfinden. In der Zeit zwischen den Sitzungen wird die operative Lösung von Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit des Gremiums fallen, durch das Präsidium übernommen.

Die Allbelarusische Volksversammlung soll nach Inkrafttreten eines Sondergesetzes zusammengesetzt werden (das Gesetzes wird voraussichtlich im Laufe von einem Jahr verabschiedet). Wegen der weitreichenden Befugnisse der Allbelarusischen Volksversammlung ändern sich die Befugnisse anderer staatlicher Organe und Amtsträger, darunter des Präsidenten.

In Bezug auf das Amt des Präsidenten wird folgendes vorgeschlagen:

  • Verschärfung der Anforderungen an Kandidaten: Erhöhung des Mindestalters von 35 auf 40 Jahre und der Mindestaufenthaltsdauer im Land vor den Wahlen von 10 auf 20 Jahre, Verbot der ausländischen Staatsbürgerschaft oder einer ausländischen Aufenthaltserlaubnis;
  • Einführung von Amtsdauerbeschränkung – maximal zwei Amtsperioden;
  • Vereinfachung des Amtsenthebungsverfahrens (neue Grundlage – systematischer oder grober Verstoß gegen die Verfassung) sowie Gewährung den Bürgern (mind. 150 Tsd.) des Rechts, dieses Verfahren einzuleiten;
  • Abschaffung des Präsidialdekrets als einer Rechtsaktsform: die rechtliche Regelung der wichtigsten gesellschaftlichen Verhältnisse erfolgt ausschließlich durch Gesetze;
  • Unterordnung der Präsidialerlässe den Gesetzen;
  • Ermächtigung des Präsidenten, Assistenten und Beauftragte für verschiedene Angelegenheiten zu ernennen, die eine besondere Aufmerksamkeit des Staates erfordern;
  • Festlegung des Status des Präsidenten nach dem Ende seiner Amtszeit – er kann zum Mitglied des Rates der Republik sowie zum Delegierten der Allbelarusischen Volksversammlung werden.

Für Parlamentsmitglieder soll eine Amtszeit von fünf Jahren gelten. Eine lange Parlamentssitzung anstelle von einigen Sitzungen ist vorgesehen. Die Abgeordneten erhalten neue Kontrollbefugnisse (Anhörung des Generalstaatsanwalts, der Vorsitzenden des Staatlichen Kontrollkomitees und der Nationalbank), sie werden aktiver an der Lösung aller wichtigen Staatsaufgaben beteiligt.

Ernennung zu allen Schlüsselposten, einschließlich des Premierministers und des Vorsitzenden des Staatlichen Kontrollkomitees, wird vom Präsidenten nach vorheriger Zustimmung des Parlaments durchgeführt.

Eine wichtige Änderung besteht darin, dem Vorsitzenden des Rates der Republik (das Oberhaus des Parlaments) die Befugnisse des Staatspräsidenten im Falle einer Vakanz dieses Amtes zu übertragen, was die Stabilität und Kontrollierbarkeit in Notsituationen ermöglichen soll.

Der Entwurf konkretisiert die Befugnisse der Regierung und sieht bestimmte Änderungen in Bezug auf das System der regionalen und kommunalen Selbstverwaltung vor: wie für die Parlamentarier gilt auch für die lokalen Abgeordneten eine fünfjährige Amtszeit.

Es sollen auch der Status und die Bedeutung des Verfassungsgerichts deutlich erweitert werden (darunter Prüfung von Beschwerden der Bürger über Verletzungen ihrer verfassungsmässigen Rechte und Freiheiten, wenn alle anderen Rechtsmittel ausgeschöpft sind).

Der Status der Zentralen Wahlkommission wird verfassungsrechtlich verankert und das Verfahren zur deren Bildung geändert. Der Vorsitzende und die Mitglieder der Zentralen Wahlkommission werden von der Allbelarusischen Volksversammlung für fünf Jahre gewählt.

Es werden auch gewisse Einschränkungen des Wahlrechts aufgehoben. Im Einklang mit den OSZE-Empfehlungen wird das Wahlrecht den Bürgern gewährt, für die eine verfahrenssichernde Ermittlungsmaßnahme in Form einer Inhaftierung eingeleitet wurde.

Darüber hinaus klärt der Entwurf den Status und die Rolle gesellschaftlicher Institutionen (politischer Parteien und NGOs) im politischen System insgesamt und bei der Durchführung der Wahlen im Besonderen.

Es wurden auch Übergangsbestimmungen formuliert, um das Inkrafttreten der Verfassung zu gewährleisten, ohne dabei eine stabile Arbeit des Staatsapparats zu stören.

Änderungen der Verfassung treten in 10 Tagen nach der offiziellen Veröffentlichung dieser Änderungen in Kraft. Innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten der Verfassungsänderungen müssen die in der Verfassung vorgesehenen Gesetze verabschiedet oder mit der neuen Verfassung in Einklang gebracht werden.

Belarusian Diplomatic Missions

All Missions Belarus' Foreign Ministry
Go to